Depression

Typische Beschwerden depressiver Menschen sind: Niedergeschlagenheit, Interessensverlust, Freudlosigkeit, Ängste, Hoffnungslosigkeit, Unlust, Selbstzweifel, Selbstabwertung, Schlafstörungen, Appetitverlust, Libidoverlust, Gewichtsabnahme, Konzentrationsprobleme, vielerlei körperliche Beschwerden, Antriebsarmut, Arbeitsstörungen, Morgentief mit Tagesschwankungen des Befindens, Selbsttötungsideen. Halten fünf dieser Symptome länger  als zwei Wochen konstant an und gibt es keine andere Erklärung für diese Symptomatik, dann wird dieser Störung Krankheitswert zugeschrieben und eine »Depression« oder eine »depressive Episode« diagnostiziert. Treten nur zwei oder drei dieser Symptome auf, doch bestehen diese dafür über längere Zeit (mindestens zwei Jahre), dann nennen wir das eine »Dysthymie«. Treten wiederholt depressive Episoden auf, dann sprechen wir von einer »rezidivierenden Depression«. Besteht eine depressive Episode fort (über zwei Jahre) bzw. ist durch keine Therapie eine Besserung zu erreichen, dann sprechen wir von einer »chronischen Depression«.

Depressionen sind ausgelöst bzw. werden am Leben erhalten durch aktuelle bzw. chronische Belastungen (Auslöser), die auf dem Hintergrund (z. T. noch unbekannter) genetischer, neurobiologischer, lebensgeschichtlicher, gesellschaftlicher, kultureller und sozialer Bedingungen ursächlich wirken. Diese Bedingungen können sich direkt auf das Befinden, den Antrieb, die Motivation usw. wirken. Allerdings werden die Auslöser und Hintergrundbedingungen meist erst durch psychologische Mediatoren und Katalysatoren depressiogen, d. h. depressionsauslösend. Diese Mediatoren sind

• dysfunktionale Kognitionen (Gedanken, Selbstinstruktionen, Einstellungen usw.),

• Verhaltendefizite (fehlende Fertigkeiten, Defizite im Interaktions- und/oder Kommunikationsverhalten, Hemmungen, Unsicherheiten),

• Mangel an positiven Erfahrungen und Aktivitäten (Mangel an Verstärkung, Übermaß an negativen, belastenden Erfahrungen, fehlende Balance zwischen Belastung und Entlastung).

Depressionen werden heute als komplexes Zusammenwirken von biologischen, psychologischen und sozialen Faktoren verstanden. Dabei kommt keinem dieser Faktoren allein ursächliche Bedeutung zu. Klar ist, dass in Folge einer Depression oder mehrerer depressiven Episoden eine erhöhte Verletzlichkeit für eine erneute Depression besteht. Während einer Depression sind zahlreiche Hirnfunktionen, der Hirnstoffwechsel (Andockstellen für bestimmte Stoffe, wie z. B. Serotonin), das Hormon- und Immunsystem und das vegetative Nervensystem beeinträchtigt, was die oben beschriebenen körperlichen und seelischen Symptome zur Folge hat. Jede Therapie muss diese inneren Störungen und Fehlfunktionen korrigieren, damit darüber eine Besserung erreicht wird. Kognitive Verhaltenstherapie (Psychotherapie) erreicht dies durch

• korrigierende, neue, aufrichtige und positive Beziehungserfahrungen. Dies ist besonders wichtig bei Betroffenen mit traumatischen Vorerfahrungen;

• Wahrnehmung und Erfahrung der Funktionalität (Wirkung) des eigenen Handelns, um die Hilf- und Hoffnungslosigkeit zu überwinden;

• Analyse, Veränderung und Auflösung festgefahrener Einstellungen, Denk- und Verhaltensmuster;

• Differenzierung der Wahrnehmung und Verarbeitung in konkreten Situationen (Situations- und Bedingungsanalysen), um das depressive Denken hin zu operationalem Denken zu verändern;

• Patienten werden durch Verhaltensübungen und Beziehungserfahrungen zu freundlich-selbstsicheren, authentischen, offenen und verständnisvollen Personen;

• Erhöhung der Selbstwirksamkeit, indem Betroffene erleben, dass sie vielfältige eigene Ressourcen und Kompetenzen haben bzw. erlernen können;

• Förderung eines realistischen Verständnisses der depressiven Erkrankung und deren Bewältigungsmöglichkeiten.

Die (kognitive) Verhaltenstherapie analysiert zunächst den Zusammenhang von Gefühlen, Gedanken und Verhalten, um dann aus den dabei erkannten Problembereichen fünf typische Schwerpunkte anzugehen:

(1) Überwindung der Inaktivität bzw. einseitigen belastenden Aktivität

(2) Verbesserung des Sozial- und Interaktionsverhaltens sowie der sozialen Kontaktstruktur

(3) Erkennen, überprüfen und korrigieren dysfunktionaler Einstellungen und Überzeugungen

(4) Aufbau eines Bewältigungsrepertoires für zukünftige Krisen

(5) Hilfen bei der Lösung realer (sozialer, beruflicher, materieller usw.) Schwierigkeiten

Die Therapeuten versuchen, ein kooperatives Arbeitsbündnis zum Patienten herzustellen. Sie sind aktiv bemüht, strukturiert, problemorientiert, benutzen viele offene Fragen, umso Probleme zu analysieren und Lösungen zu erarbeiten. Dabei kommt es zu Wiederholungen, Zusammenfassungen, Übungen und Aufgaben zwischen den Sitzungen.

Die Therapie lässt sich in sechs Phasen einteilen, wobei die Abfolge der Therapieschritte im Einzelfall anders ausfallen kann bzw. im Behandlungsprozess man wieder auf eine frühere Phase zurückkommt:

Phase 1: Anamnese, zentrale Probleme erkennen; Aufbau therapeutischer Beziehung

Phase 2: Therapeutisches Modell erarbeiten, Struktur und Elemente der Therapie

Phase 3: Aktivitätsaufbau, Tagesstruktur, Steigerung angenehmer Tätigkeiten

Phase 4: Bearbeiten kognitiver Muster und dysfunktionaler Informationsverarbeitungen

Phase 5: Verbesserung der sozialen, interaktiven, problemlösenden Kompetenzen

Phase 6: Vorbereitung auf Krisen, Beibehaltung des Gelernten, Rückfallverhinderung

Es ist nicht ungewöhnlich, dass bei schweren und chronischen Depressionen die KVT mit einer medikamentösen Behandlung kombiniert wird. Dies erfordert dann die Zusammenarbeit zwischen Patient, Arzt und Psychotherapeut. Es ist ferner üblich, die Angehörigen (Partner, Familie) phasenweise mit in die Therapie einzubeziehen.

In der Regel umfasst eine Therapie bei Depressionen zwischen 25 und 40 Sitzungen und kann vom Jugendalter bis ins hohe Lebensalter erfolgreich angewendet werden. Obgleich eine Reihe von Übungen, Techniken und Aufgaben eingesetzt werden, folgt das Vorgehen keinem von vornherein festgelegten Therapieplan, sondern dieser soll individuell entwickelt, angepasst und für den Betroffenen persönlich überzeugend vorgestellt und durchgeführt werden. Bereits nach drei bis sechs Wochen, also spätestens nach sechs bis acht Therapiekontakten sollte sich eine gewisse Besserung zeigen. Bleibt diese aus, dann sollte das in der Therapie besprochen und nach Gründen bzw. Veränderungsmöglichkeiten gesucht werden.

•  Otto Benkert (2005). StressDepression. München: Beck.

•  Eva Lotta Brakemeier, Elisabeth Schramm & Martin Hautzinger (2011). Chronische Depression. Göttingen: Hogrefe.

•  Martin Hautzinger (2006). Ratgeber Depression. Informationen für Betroffene und Angehörige. Göttingen: Hogrefe.

• Martin Hautzinger (2006). Wenn Ältere schwermütig werden. Hilfe für Betroffene und  Angehörige. Weinheim: Beltz.

• Martin Hautzinger (2010). Akute Depression. Göttingen: Hogrefe.

• Daniel Hell (2002). Welchen Sinn macht Depression? Reinbek: Rowohlt.

• Brigitte Woggon (2002). Ich kann nicht wollen. Berichte depressiver Patienten. Bern: Huber.

• www.kompetenznetz-depression.de

• www.buendnis-depression.de