Umgang mit anhaltenden negativen Emotionen

Emotionen sind das Salz in der Suppe des Lebens. Halten Emotionen, vor allem negative Emotionen, zu lange an oder sind sie unangemessen intensiv, kann das einem das Leben (die Suppe) versalzen.
Die Fähigkeit, konstruktiv mit den verschiedensten belastenden Gefühlen umgehen zu können, ist zentral für die Sicherung der intrapsychischen Funktionsfähigkeit und damit Voraussetzung für eine effektive Auseinandersetzung mit der Umwelt.
Häufig begegnet uns, dass viele Patienten Schwierigkeiten haben, die eigenen emotionalen Reaktionen wahrzunehmen, sie richtig einzuordnen, sie bei Bedarf zu akzeptieren und aus- zuhalten, oder sie bei Bedarf positiv zu beeinflussen?
Beeinträchtigungen dieser Fähigkeit stellen ein bedeutsames Risiko für die Entwicklung und Chronifizierung diverser psychischer Probleme und Störungen dar. Im deutschsprachigen Raum gibt es bislang kein ausreichend fundiertes Training, mit dem diese Defizite systematisch genug therapiert werden können. Vor diesem Hintergrund wurde von Professor Berking an der Universität Bern das Training Emotionaler Kompetenzen (TEK) entwickelt. Unterstützt wurde Prof. Berking von Prof. Hansjörg Znoj und dem 2005 verstorbenen Prof. Klaus Grawe.
Was ist der Kerngedanke des TEK?
Bei einer Vielzahl von seelischen Erkrankungen ist der Umgang mit Gefühlen, insbesondere „schwierigen“ Gefühlen gestört z. B. bei Angststörungen und Depressionen.
Aber auch im täglichen Leben kommt es bei einer Überladung mit problematischen Gefühlen oder bei einem auf Dauer ungünstigen Verarbeiten dieser Gefühlen zu zunehmenden seelischen Problemen, die letztendlich in einer Erkrankung münden können. Besonders gefährdet sind dabei sicherlich Menschen, die durch ihre Lebenssituation oder durch berufliche Anforderungen mit hohem emotionalem Stress (Menschen mit sozialen Berufen oder Polizisten) ausgesetzt sind. Oft reichen jedoch auch die mittlerweile hohen Ansprüche des modernen Lebens aus, um uns dauerhaft in emotional schwierige Situationen zu bringen.
Entsprechende Strategien, die einen wesentlich hilfreicheren Umgang mit verletzenden Gefühlen ermöglichen, sind deshalb gefragter denn je.

Während die meisten Menschen die unangenehmen und auf Dauer verletzenden Gefühle – verständlicherweise – einfach schnell herunter oder wegregulieren wollen, setzt das TEK entscheidende Schritte früher an:

Basiskompetenzen 1 und 2: Muskel. -und Atementspannung

Jede Strategie wird durch eine kurze Psychoedukation eingeleitet, die ein neuropsychologisches Erklärungs- beziehungsweise Teufelskreismodell zur Aufrechterhaltung negativer Gefühle beinhaltet.Hieraus leitet sich die jeweilige Strategie ab. Dies sieht zum Beispiel wie folgt aus: Erregung der Amygdala führt zu Muskelanspannung und flachem Atem. Da dies mit potenzieller Bedrohung verknüpft ist, sind die Reaktionen selbst schon ein Gefahrsignal für die Amygdala, was zu einer Aktivierung und einem Teufelskreis führt, der negative Emotionen aufrecht erhält. Nach geleitetem Entdecken („Was kann man da tun?“) wird die progressive Muskelentspannung vorgestellt und gemeinsam mit einer Atementspannung geübt.

Basiskompetenz 3: Bewegungsfreie Wahrnehmung

Zur Durchbrechung eines weiteren Teufelskreises wird die Aktivierung nicht bewertenden Wahrnehmens und neutralen Beschreibens vorgestellt :Belastende Gefühle werden (1) benannt, (2) ihre Intensität auf einer Skala von 0-10 eingeschätzt und (3) stichwortartig die körperliche Lokalisierung beschrieben.Die Kompetenz wird in form einer kurzen Atemmeditation, einer Fokussierung auf verschiedene Sinneswahrnehmungen und einer erfahrungsoffenen Betrachtung eigener Gedanken, wünsche und Emotionen eingeübt.

Basiskompetenz 4: Akzeptanz und Toleranz

Den Teilnehmern wird vermittelt, dass die vorübergehende Akzeptanz emotionaler Reaktionen eine Möglichkeit ist, aufkommende Gefühle der Hilflosigkeit zu dämpfen. Dabei wird vermittelt, dass die Teilnehmer diese Gefühle nicht toll finden oder die auslösende Situation akzeptieren sollen. Vielmehr soll ihnen die Daseinsberechtigung erteilt werden.Durch die Arbeit an einem persönlichen Akzeptanz.- und Toleranzplan wird die akzeptanzförderne Einstellung erarbeitet, die unter anderem darin besteht
“ Emotionen als Freunde zu sehen „, die wichtige Informationen geben und hilfreiche Handlungen einleiten.

Basiskompetenz 5: Selbstunterstützung

Belastende Gefühle aktivieren bei vielen Menschen mit psychischen Störungen ein negatives Selbstbild, was Selbstabwertung zur Folge hat und sekundäre Gefühle wie Scham oder Schuld aktiviert. Über geleitetes Entdecken wird den Teilnehmern vermittelt, dass das Ein- nehmen einer liebevollen Haltung selbst gegenüber diese sekundären negativen Gefühle verhindern kann. Die Übung dieser Kompetenz erfolgt durch die Imagination der eigenen Person in einer Belastungssituation mit dem Ziel, dabei „Mitgefühl als ein warmes und kraft- volles Gefühl der Anteilnahme mit sich selbst aufsteigen zu lassen „.

Basiskompetenz 6 : Analysieren

Ein Training der Analysefähigkeit in emotionale neutralen Situationen soll Gefühle von Hilflosigkeit und Überforderung in belastenden Situationen abwenden. Durch Malübungen soll den Teilnehmern der Zugang zu den eigenen Gefühlen erleichtert werden.Der Trainer leitet aus den Bildern dann die einzelnen Punkte des TEK-Analyseschemas ab, womit Gefühle systematisch analysiert werden können.Dies wird dann explizit eingeführt und anhand eines belastenden Gefühls der Teilnehmer aus den letzten Wochen bearbeitet.
Punkte des Schemas sind:(1) das relative Gefühl, (2) die auslösende Situation, (3) Grundstimmung/Körperempfinden vor Einsetzten der Situation, (4) Aufmerksamkeit/Interpretation/Bewertung der Situation,(5) Bedürfnisse/Wünsche/Ziele/Erwartungen der Situation, welche mit dem Gefühl einhergehen, (6) ähnliche Reaktionen auf frühere Situationen in Form eines alten Musters, (7) Körperreaktionen, welche mit dem Gefühl einhergehen, (8) sekundäre Gefühle als Bewertung des primären Gefühls, (9) Verhaltensimpulse, welche durch das Gefühl aktiviert wurden.
Die genaue Analyse der Emotionen veranschaulicht den Teilnehmern nicht nur die typischen Komponenten emotionaler Reaktionen, sondern zeigt gleich mehrere Ansatzpunkte für die Regulation auf.

Basiskompetenz 7: Regulieren

Auch die Relevanz der Fähigkeit zur Veränderung von Dauer/Intensität negativer Emotionen wird aus einem “ neuropsychotherapeutischen Teufelskreis “ abgeleitet. Anschließend wer- den die einzelnen Schritte effektiven Problemlösens erarbeitet:(1) ein realistisches Zielgefühl auswählen, welches ein Annährungs.- statt Vermeidungsziel sein sollte, (2) Brainstorming nach Möglichkeiten, das Zielgefühl herbeizuführen, (3) einen konkreten Plan machen, wie die ausgewählten Strategien umsetzt werden sollen, (4) Strate- gien umsetzen, (5) konstruktiver Umgang mit Misserfolg, der aus Belohnung der Teilerfolge, Intensivierung der Bemühungen, gegebenenfalls Umsetzung der Alternativplänen und letztlich Überdenken des Zielgefühls besteht.
Zur Unterstützung wird hier mit dem TEK-Regulationsschema gearbeitet, welches direkt auf dem Analyseschema aufbaut. Als hilfreiche Regulationsstrategien gelten :(a) Use the Blues, also Gefühle konstruktiv nutzen, (b) Opposite action (21), also das Gegenteil des Verhaltensimpulses umsetzten sowie (c) ( kurzfristige ) Ablenkung, um sich in einem ruhigeren Moment mit der Emotion auseinanderzusetzen.
Mit dem Training emotionaler Kompetenzen wird ein transdiagnostisches Verfahren assoziiert, welches verschiedene Strategien zur Regulation negativer Emotionen vermittelt. Die Wirksamkeit einzelner Strategien, wie des gesamten Trainings wurde in einer Reihe wissenschaftlicher Untersuchungen nachgewiesen. Obwohl das Training für ein gruppentherapeutisches Setting konzipiert wurde, werden Elemente des Trainings in den Einzeltherapien in die ambulanten psychiatrischen Pflege übernommen. Hier kann insbesondere die biologische Fundierung des Trainings auch somatisch orientierten Patienten einen Zugang zu ihren Emotionen ermöglichen. Um den langfristigen Transfer der Trainingsinhalte in den Alltag der Teilnehmer zu erleichtern, gibt es bereits eine Vielzahl von Anwendungen, welche in Zukunft noch weiter ausgebaut werden soll.

• Die Idee mehrere, meist notwendige Schritte (BK 1- 6), vor dem Regulieren verletzender Gefühle, vor zu schalten.
• Der Ansatz, dass das Regulieren von Gefühlen („in Ruhe“) konsequent geübt wird und bei entsprechenden Übungserfolgen mit Hilfe von erworbenen Kurzformeln in schwierigen Situationen umgesetzt werden kann.
• Der besondere Charme und die nachgewiesene Effektivität, die das TEK dadurch bekommt, dass sich die Basiskompetenzen u. a. aus den Erkenntnissen moderner Hirnforschung und modernster Psychotherapieansätze (z. B. Achtsamkeitsbasierte Techniken) herleiten.

Im ersten Teil des Trainings werden die wichtigsten theoretischen Hintergründe vorgestellt und dargelegt, welche Folgerungen sich daraus für die therapeutische Praxis ergeben.
So werden zur Einführung die Rolle der Amygdala als Angst und Stresszentrum sowie Stresshormone und bestimmte Stressreaktion des Körpers thematisiert. Von Beginn an wird Wert auf das herausarbeiten funktionaler Aspekte von Emotionen und der zugehörigen Körperempfindungen gelegt. Zur Förderung aktiver Teilnahme wird Psychotherapie als eine Art Hirntraining dargestellt und kann so auch somatisch orientierten Patienten den Zugang zu ihren Emotionen erleichtern.
Anhand einer Amygdalazelle wird verdeutlicht, dass verschiedene Faktoren die Aktivierung stressrelevanter Zellverbänden bedingen. Im Training sollen nun jene Zellverbänden aktiviert, trainiert und gefestigt werden, die für Entspannung und positive Gefühle zuständig sind. Gleichzeitig werden Areale entlastet, die Stress und negative Gefühle auslösen. Zudem wird die Relevanz von selbst Belohnung angesprochen und im besten Fall durch Genussübungen im Anschluss an das Training realisiert.
Als Grundlage dienen dabei die aktuellsten wissenschaftlichen Erkenntnisse, wie sie die moderne Hirnforschung zur Verfügung stellt, aber auch evolutionsbiologische Hintergründe. Das Vermitteln dieser konkreten Modelle wird in der Regel von den Kursteilnehmern als sehr hilf- reich und motivierend zugleich beschrieben.
Im zweiten, praxisorientierten Teil werden konkrete Anleitungen zur Durchführung dieses Trainings gegeben. Dabei kommen neben dem Austausch in der Gruppe, dem schrittweisen Erarbeiten von Basiskompetenzen auch gemeinsame Übungen zur Anwendung. Für das tägliche Üben der entsprechenden Kompetenzen werden eine Vielzahl moderner Hilfen zur Verfügung gestellt wie z. B. Schriftliche Unterlagen, Schaubilder, Hör-CD ́s, tägliche SMS und Übungspläne.

Der Indikationsbereich des TEK ist sehr breit. Das Training kann zur Präventionsarbeit mit Risikogruppen, als flankierende Maßnahme während einer ambulanten Einzeltherapie oder als Teil eines stationären Behandlungsangebotes eingesetzt werden.Besondere Bedeutung hat das Verfahren bei allen Störungen, bei denen die Emotionsregulationsstörung das primäre Symptom darstellt wie:

• Alle Arten von Angsterkrankungen
• Alle Arten von Depressionen
• Suchterkrankungen
• Zwangserkrankung
• Somatisierungsstörungen

Zur Prophylaxe kann TEK bei emotional besonders geforderten Menschen dienen (z. B. Junge Eltern, Alleinerziehende, Lehrer, Polizisten und helfende Berufe). Einen Effekt in Richtung Prophylaxe bestätigen alle KollegenInnen, die TEK regelmäßig mit Patienten praktizieren.